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NF2 – und wie ich daran wuchs

Hinfallen. Aufstehen. Krone richten. Weitergehen. Nichts ist unmöglich. Teddybär zeigt, wie es geht. Das Blog-Team wünscht viel Freude beim Lesen.

Heute möchte ich über meine Erfahrungen mit der Krankheit NF2 berichten. Hier müsste erstmal geklärt werden, bin ich denn überhaupt „krank“? Genau genommen liegt ja dieser Gendefekt schon seit meiner Geburt vor und wegen unvorhersehbarer Ereignisse ist die Krankheit ausgebrochen. Also meiner Meinung nach gehörte diese schon immer zu mir. Ist „krank“ daher die richtige Bezeichnung? Jeder sollte diese Frage für sich selbst beantworten und sich danach entscheiden, wie er am besten damit umgeht und somit LEBEN kann. Vielleicht wäre der Begriff X-Men zutreffender.

Seit über 14 Jahren bin ich jetzt ertaubt und kann die tollsten Geschichten wiedergeben wie ich als Behinderter (ich mag dieses diskriminierende Wort nicht) eingeschränkt werde von meinen Mitmenschen. Nein, zum Glück nicht von allen, leider aber von zu vielen  – wie es sich auch in der jetzigen Situation im Umgang mit der Pandemie wiederspiegelt. Hier möchte ich nicht weiter darauf eingehen, nur so viel: Die Leute aus meinem „normalen“ Umfeld sind überfordert, so auch mit mir.

Zwar bin ich Besitzer eines „Schwerbehindertenausweises“, der mir von der Behörde ausgestellt wurde, doch stellt sich mir immer die Frage, wer hier der Eingeschränkte von uns beiden ist: die Behörde oder ich? Diese Aussagen „kannst du nicht, du hörst ja nichts“ oder „aufgrund deiner BEHINDERUNG kannst du dies und jenes nicht“. Aus der älteren Generation kommen auch gerne Aussagen wie „Oh, du Armer, hörst du nichts? Das muss doch ganz schrecklich sein“. Ganz klare Antwort „Nein, das ist nicht schrecklich, es ist allerhöchstens frustrierend, darauf reduziert zu werden“. Mein Gehirn denkt zur gleichen Zeit: „Oh, ich habe dafür mein Leben noch vor mir!“ Der eine oder andere Leser wird sich bei den Zeilen wohl denken „der Verfasser muss ja ganz schön frustriert sein, dass er sich so abreagiert“. Das ist jedoch nicht der Fall.

Mit den nachfolgenden Beispielen möchte ich Vorurteile/Barrieren/Gesetze aufzeigen, mit denen ich mich als sowieso schon „hilfsbedürftiger“ Mensch herumschlagen muss. Ich bin nicht alleine.

Vor kurzem ereignete sich eine Situation, die mich nicht mehr loslässt. Seit über elf Jahren bin ich bei derselben Firma angestellt. Es wurde ein Erste-Hilfe-Kurs angeboten. Natürlich war ich sofort dabei und trug mich in die Liste ein. Aufgrund meiner jahrelangen Erfahrungen mit Ärzten aus der ganzen Welt sah ich hier mein Potenzial. Auch Anträge und bürokratische Angelegenheiten sind mir mehr als vertraut. Der Clou dabei war, dass mir die Teilnahme verweigert wurde. Die Begründung war: „Wie möchtest du dem Kurs folgen, das Gesagte verstehen und bei einem Unfall mit einer Person kommunizieren oder mit Ärzten?“ Spätestens jetzt wollte ich aus meinem Traum aufwachen. Tat ich nur nicht, es war schließlich die bittere Realität. Mittlerweile bin ich dankbar für diese Aussagen. Auch wenn es sich im ersten Moment so anfühlte wie ein Schlag in den Magen, so hat es mir doch gezeigt, dass selbst im 21. Jahrhundert noch Menschen mit eingeschränkter Sichtweise leben. Meiner Ansicht nach war die Ablehnung aus folgenden Gründen ein Fehler:

  1. Bedingt durch meine chronische Erkrankung blicke ich nun mehr auf fast 20 Jahre Erfahrung mit diversen Ärzten zurück, auch auf internationaler Ebene.
  2. Seit meiner Diagnose setze ich mich erfolgreich mit verschiedenen Anträgen von Ämtern und Behörden auseinander (DRV, Krankenkasse etc.)
  3. Vertrauen – wieso? Sollte ein Arbeitsunfall passieren und die Versicherungen Skepsis hegen, hätte ich ja einen starken Partner (meine Firma) an meiner Seite.

Also statt hier klein beizugeben, immatrikulierte ich mich an eine Hochschule und entschied mich für ein Elektronikstudium. Tja, dabei klappte auch alles wie am Schnürchen. Toll, dachte ich mir, jetzt noch einen Dolmetscher und die Sache ist geritzt und das schon Monate bevor das Studium anfängt. Ich hatte also genug Zeit zum Lernen. Dann die nächste Hürde. Mein Antrag auf einen Schriftdolmetscher wurde abgelehnt mit der Begründung, dass ich schon eine „angemessene Ausbildung“ habe. Das darauffolgende Hin und Her zog sich in die Länge und endete vor Gericht zugunsten des Klägers (meiner Person).

Jetzt musste ich noch einiges tun: Formulare einreichen, Dolmetscher finden, Termine koordinieren/organisieren, den Ablauf mit der Hochschule besprechen, die erforderliche Technik besorgen, die dann natürlich immer dabei sein und funktionieren sollte (z. B. aufgeladene Akkus). Außerdem gab es Überlegungen bezüglich temporärer technischer Problemen, die auftreten können, und natürlich sollen hier auch noch die kurzfristigen Änderungen genannt werden (Vorlesungsänderungen). Kurzum, es ist ein deutlicher Mehraufwand gegenüber einem „normalen“ Studenten.

Das musste doch einfacher gehen, und ich bin stolz darauf, meine individuelle Lösung zu präsentieren, die ich nach reiflicher Überlegung gefunden habe: Transkription der Sprache mittels Spracherkennungssoftware, die auf meinem Tablet installiert ist. Damit sitze ich ganz entspannt in den Vorlesungen, während der Dozent in das von mir organisierte Mikrofon spricht.

Zu mir wurde mal gesagt: „Du bist genauso verrückt wie die anderen (Menschen) auch, sogar noch mehr.“ Bis heute frage ich mich: War das ein Kompliment, oder nicht? Ich jedenfalls sehe es als solches. Ich bin weder krank noch hilfsbedürftig oder was auch immer.

Ich lebe, arbeite, studiere und laufe nebenbei mal eben 100 Kilometer. Meine Botschaft an den Rest der Welt: Es passiert im Kopf, was man anderen Leuten antut. Einfach mal auf sich konzentrieren, nicht andere darauf reduzieren, was sie angeblich nicht können.

Ein Rätsel gebe ich dir noch mit auf den Weg, wenn du es lösen kannst, hast du keine Barrieren im Kopf.

Hier das Rätsel: Ein Ertaubter und ein Blinder kommunizieren völlig lautlos miteinander – wie geht das? Auflösung im WIR-3.0-Buch.

Dank NF2 bin ich über mich hinausgewachsen, auch wenn Träume zerstört wurden. Es sind neue entstanden, ehrgeizigere, vielleicht auch unerreichbare, aber nur solange es Barrieren im Kopf gibt.

Teddybär

Das Leben mit Neurofibromatose (NF2) meistern

Liebe Leserinnen und Leser,
in der unten eingefügten PDF-Datei findet ihr nach dem Download ein paar spannende Interviews von NF2-Betroffenen. Wir wünschen Euch viel Spaß beim Lesen.
Euer Blog-Team

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Wochenende für die Seele – oder Seminar?!

Auch dieses Jahr fand wieder ein sehr interessantes und für uns wichtiges Seminar zum Thema Mobilität statt. Da so gut wie jeder Betroffene über einen eingeschränkten Gleichgewichtssinn verfügt und viele zudem körperlich eingeschränkt oder davon bedroht sind, ist es umso bedeutender Wege aufgezeigt zu bekommen wie wir unser Ziel dennoch erreichen. Teilnehmerin Bella schildert uns hier ihre Erlebnisse: Weiterlesen