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NF2-Seminar 2021

Vom 09. – 12.09.21 fand unser alljährliches NF2-Seminar in Lobbach bei Heidelberg statt. In diesem wunderschönen Hotel der Manfred-Sauer-Stiftung, welches für Rolli-/Rollatorfahrer perfekt geeignet ist.
Es ging um Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung, Palliativmedizin, Hospiz- und Palliativbehandlung, Sterbehilfe und auch Testamentsgestaltung/Erbrecht.

Wir waren nur ein sehr kleiner Teilnehmerkreis bestehend aus 11 Personen und 2 Schriftdolmetschern. Aufgrund der Seminarinhalte – der (eigene) Tod – und die damit verbundene abschreckende Wirkung, gab es anscheinend nicht so viele Anmeldungen.

Da mich das Thema sehr interessiert und ich immer alles geregelt haben will – Ordnung muss sein 😉 – fuhr ich zum Seminar. Ich dachte mir, es kann nicht schaden, mal eine Aussage von einer wirklich kompetenten Person aus der Praxis zu erfahren, ohne dafür an die 300 € Stundenhonorar bezahlen zu müssen 🙂

So erfuhren wir von der Rechtsanwältin Sonja Hecker aus Hockenheim, wie wichtig eine Vorsorgevollmacht ist, denn nicht automatisch ist der Ehepartner bestimmungsbefugt.
Die Kollegin Judith Hartmann aus Hamburg, übrigens ebenfalls gehörlos, gebärdensprachkompetent und sehr sympathisch, referierte zur Patientenverfügung.

Als nächstes kam der Arzt Dr. Klaus Blum, Bochum, zur Palliativbehandlung zu Wort, also ein „Mann aus dem Alltag, mit praktischer Erfahrung“. Dieser hat an seinem Wohnort ein Palliativnetz mit aufgebaut. Dieses koordiniert die Zusammenarbeit von niedergelassenen Palliativ- und Hausärzten, Krankenhausabteilungen, Seniorenheimen, Pflegediensten, Apotheken, Sanitätshäusern, Care-Managern und dem Hospiz.
Leider gibt es, so ein Netz, bisher nur in größeren Städten. Auf dem Land ist die Verzahnung der einzelnen Institutionen (noch) nicht so gut und ausbaufähig.
Was mich persönlich dabei fasziniert hat: Bei diesem Pallliativnetz steht der MENSCH im Mittelpunkt.
Nicht der Mensch muss sich an die Medizin anpassen, sondern die Medizin an den Menschen. Und wiedermal fragte ich mich: Warum ist das nur am Lebensende so??? Warum kann das nicht immer so sein, dass der Mensch und nicht der Profit im Mittelpunkt steht???

Zuletzt hatten wir den Rechtsanwalt Jan Bittler aus Heidelberg zu Gast, welcher uns über Testamentsgestaltung und (ver)erben informiert hat.
Es gibt viele juristische Fallstricke und die Beratung ist unerlässlich, wenn das Testament Gültigkeit haben soll.

Wir hatten das Beispiel mit dem „Einkaufszettel für Fremde“. Du schreibst für einen Nachbarn, Kollegen, Freund einen Einkaufszettel. Du schreibst: Butter, Wurst, Käse.
Er kauft: Sauerrahmbutter, Salami, Camembert.
Du isst (und wolltest eigentlich): Süßrahmbutter, Schinken, Emmentaler.

Fazit: Je genauer und konkreter die „Regieanweisungen“ für andere erteilt werden, desto einfacher ist die Umsetzung.
Das gilt nicht nur für die Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung, das Testament, sondern allgemein im Leben.
So konkret wie möglich formulieren – schriftlich oder mündlich – was möchte ich, was wünsche ich mir, was lehne ich ab…

Die Organisatoren haben also Experten aus ganz Deutschland zum Seminar geholt.
Der Erfahrungsaustausch und die Freude nach so vielen abgesagten Veranstaltungen war natürlich groß.

Stefanie Weigl

Mücketreffen 2021

Zum Ersten Mal dabei! Da war ich ganz schön aufgeregt. Das Treffen gibt es ja schon seit vielen Jahren NF2ler treffen sich im Flensburger Hof und verbringen dort vier gemeinsame Tage.
Am ersten Abend gab es eine Kennenlernen Runde nach gemeinsamen Essen aus mitgebrachten Salaten.
So viele neue Namen und Gesichter; und Gebärdensprache. NF2 ist eine Erkrankung bei der im gesamten Nervensystem gutartige Tumore entstehen. Fast immer sind die Hörnerven betroffen, so dass die meisten Patienten ertauben.
Am nächsten Tag gab es viel Programm. Eine Apothekerin hat uns sehr gut in die Aromatherapie eingeführt. Danach gab es einen Vortrag von Ricardo zu der neu gegründeten Merlin Foundation Neurofibromatose Typ 2 Erkennen-Helfen-Heilen
In den Pausen haben wir gemeinsam gegessen, ein wenig gechillt und uns ganz viel ausgetauscht. Ich als Neue ohne Einschränkung des Gehörs habe das Fingeralphabet kennen gelernt und kann schon meinen Namen fingern.
Am Freitag gab es einen Ausblick auf das Treffen im nächsten Jahr, Trommeln mit Chris und Steine bemalen. Der Tag wurde mit einem Quiz-Abend abgerundet.
Auch hatten wir einen Nachmittag ein Spielecafe.
Alles im allem war das Beste, dass wir ganz viel gemeinsam gemacht haben. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich nach so kurzer Zeit so gut aufgenommen gefühlt hätte. Halt die NF2-Familie.
Wir gemeinsam, das macht das Treffen aus. Herzlichkeit und Offenheit, dies bräuchte es öfter im Leben.

Danke
Caro

Ankommen

Ich konnte es schon mit 14 nicht erwarten, endlich meinen Heimatort zu verlassen.
Mit meinen Eltern verstand ich mich zwar super, aber ich passte in dieses Dorf einfach nicht rein.

Mit 17 zog ich dann von Zuhause aus, seitdem bin ich ständig unterwegs.
Wochenende hieß für mich, sich in den Zug zu setzen und quer durch Deutschland zu fahren, um mich mit verschiedenen Freunden zu treffen, die ich durch NF2, meine alte Schule oder durch gemeinsame Hobbys im Internet kennengelernt hatte.
Dies zog sich über meine gesamte Schulzeit. Das erste Semester meines Studiums
habe ich damit auch weiter gemacht. Dann kam Corona und ich hörte natürlich damit auf.

Doch während dieser Phase hatte ich das Gefühl, dass immer mehr Leute aus meinem Umfeld irgendwo ankamen, sich dort ein festes Umfeld aufbauten, Partner, gefestigter Freundeskreis, Hobbys, Vereine und Familie. Doch bei mir tat sich in der Richtung nichts. Ich hatte so sehr das Gefühl, ich müsste jetzt an einen festen Ort ankommen.
Schließlich machten die anderen das doch auch. Als die Maßnahmen lockerer wurden,
war ich langsam gefrustet, weil es mir einfach nicht gelang anzukommen.
Auch verreist bin ich weniger, ich hatte die Energie nicht mehr, zumindest habe ich mir das so eingeredet.

Ich wollte mich darauf konzentrieren, endlich anzukommen, ein Zuhause aufzubauen.
Doch desto mehr ich es versuchte, desto weniger gelang es mir.

Als mich eine Freundin nach Hamburg eingeladen hat, zu einer kleinen Feier, wo wahrscheinlich auch alte Schulkollegen dabei sein würden, wollte ich schon absagen. Zu lange Zugfahrt für nur einen Tag, dafür habe ich doch bestimmt nicht die Energie. Schließlich sagte ich dann doch zu. Bei der Abfahrt war ich so glücklich wie lange nicht mehr. Mir wurde so langsam einiges klar. Ich bin die ganze Zeit nur im Kreis gerannt, mit einem Ziel vor den Augen das nicht meins war.

Ich will mich gar nicht an einen Ort binden. Mein Zuhause ist nicht ein bestimmter Ort oder eine bestimmte Gruppe von Menschen. Ein Teil meines Zuhauses ist bei meinen Eltern und meiner Familie, ein anderer Teil meine Wohnung und mein Studienort. Doch auch ein Teil ist unterwegs, wenn ich stundenlang bei Zugfahrten aus dem Fenster schaue, immer wieder etwas Neues sehe und erlebe.

Und natürlich auch bei meinen Freunden, denn egal wo sie wohnen, egal wie selten ich sie sehe, wenn wir da weitermachen, wo wir aufgehört hatten, wenn wir immer noch so vertraut sind wie damals, dann sind auch sie mein Zuhause und dies möchte ich nicht missen.

Ilka

Das Corona-Wunder – und die Teilhabe eines Menschen mit Höreinschränkung

von Carsten Voßhenrich

Alles begann im März 2020. Nein, nicht nur Corona, sondern auch mein Wunsch, wieder zu arbeiten. Ich fühlte mich fit genug und strebte eine Ausbildung in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung an.

Während der Coronakrise war ich entspannt, denn Social Distancing (Räumliche Distanzierung also Abstand halten) war, aufgrund meiner eigenen Isolation, für mich kein Fremdwort mehr. Auch shoppen gehe ich seit längerem online.

Durch die Masken im öffentlichen Leben wurde mir die Kommunikation sehr erschwert, zum einen: das Herausfinden, wer gerade spricht und zum anderen: das Gesagte ohne Mundbild zu verstehen.

Dann kam eine Einladung zu einem Berufsfindungslehrgang im Berufsförderungswerk.

Ich wurde unruhig, denn ich wusste, dass ich dort in Schwierigkeiten kommen werde. Es ist anstrengend für mich Gespräche zu verfolgen. Ich werde nicht alles verstehen und Informationsverluste haben.

Genau deswegen hatte ich einen Betrieb ausgewählt, der ausschließlich für Menschen mit Behinderung besteht – die vor allem wegen ihrer Behinderung nicht wieder bzw. weiterhin in ihrem bisherigen Beruf arbeiten können. So ist es auch für mich. Im Berufsbildungswerk gilt der Grundsatz von Gleichbehandlung aller Einschränkungen, das heißt z. B. eine Körperbehinderung  wie ein Bandscheibenvorfall wird genauso wie eine Sinnesschädigung, wie  meine Hörbehinderung, gewichtet. Jeder bekommt das gleiche Pensum und jeder muss alles lernen.

Ich darf mich mit meiner Hörschädigung (eine besondere Behinderung im Sinne von unsichtbar, selten in meinen Alter, kaum aufgeklärt in unserer Gesellschaft und den besonderen Herausforderungen die damit einhergehen) in unsere Leistungsgesellschaft integrieren und bekomme die Möglichkeit, an einem Berufsförderungswerk eine Ausbildung zu absolvieren.

Die Berufsfindung beinhaltet, dass ich alle möglichen psychologischen Test absolviere und auch in meinen PC-Kenntnissen erprobt werde. Ich wurde von einem Arzt untersucht. Den Erklärungen und Aufgabenstellungen konnte ich mit großer Kraftaufbringung sinngemäß folgen und diese inhaltlich verstehen.

Ein Versuch, mir die Kommunikation mit einer Kommunikationsanlage zu erleichtern, verlief erst mal in Sande, deren Einsatz ist für meine Hauptqualifikation aber unerlässlich.

Trotz allen körperlichen Einschränkungen konnte ich die 14-tägige Berufsfindung absolvieren und meine Aufgaben erledigen. Ein konkreter Beruf wurde mir nicht vorgeschlagen, diesen musste ich mir selbst suchen. Mit der Rückmeldung – geeignet oder nicht.
Ich entschied mich für den Sozialversicherungsfachangestellten.

Als Folgemaßnahme wurde ein Reha-Vorbereitungstrainining geplant, um mir den Einstieg in die Ausbildung zu erleichtern, mich selbst zu testen und den Umgang mit der Kommunikationsanlage
zu üben.

Ohne zu wissen, ob das Training überhaupt stattfinden kann, bekam ich eine Einladung und kurz darauf kam die Mitteilung, dass das Vorbereitungstrainining online stattfinden wird.

Bei mir als PC-affiner Mensch kam Vorfreude auf, aber mir war auch klar, dass ich im Unterricht nur die Hälfte verstehen kann.

Das Onlinetraining begann. Meine Vorfreude wurde bestätigt. Alle Teilnehmer benutzen ein Mikrofon und eine Kamera. Ich sehe meist das Mundbild und habe die Stimmen über Kopfhörer direkt in meinem Ohr.

So viel Teilhabe an einem Gruppengespräch hatte ich schon mehrere Jahre nicht mehr erlebt und habe damit in meinem Leben auch nicht mehr gerechnet.

Kann mich jeder hören?

Versteht man mich gut?

Wer spricht gerade? Bitte Aufzeigen und nacheinander reden!

Wer/was verursacht ein Störgeräusch?

Alles Fragen, die in der Welt der Menschen mit Höreinschränkungen beherzigt werden und eine fließende Kommunikation überhaupt erst möglich machen.

Nun sitze ich zuhause an meinem Computer und merke sehr wenig davon, dass ich in einer anderen Kommunikationswelt lebe und spüre kaum etwas von meiner Behinderung während ich Grundrechenarten übe oder eine Präsentation erstelle.

Ich freue mich jedes Mal darüber, wenn der Lockdown verlängert wird. Wie geht es für mich weiter?  Denn es wird, was ich auch irgendwie hoffe, irgendwann wieder Normalität einkehren, d. h., Präsenzunterricht stattfinden und die Möglichkeit geben, an Seminaren, Festen oder Familienfeiern teilzunehmen.